Ein Erfahrungsbericht von Marcus L.
Ich begann im November 2012 das Referendariat im Kammergerichtsbezirk in Berlin. Die erste Zeit ist man im Wesentlichen damit beschäftigt, sich zunächst zu orientieren und an das neue Umfeld zu gewöhnen. Insbesondere die Einführungslehrgänge und Arbeitsgemeinschaften sind sehr schulisch aufgebaut, was ein wenig Eingewöhnungszeit erfordert, da man sich das ja gerade in der Uni abgewöhnt hatte. Anders als in der Vorbereitung zum Ersten Staatsexamen kann man sich nun nicht mehr vollständig auf die Examensvorbereitung konzentrieren, sondern neben den praktischen Referendariatsstationen, in denen man mehr oder weniger gefordert wird, warten auch die Arbeitsgemeinschaften, die vor- und nachbereitet werden müssen. Zudem wohnt man ja meist nicht mehr bei seinen Eltern und da die Referendarsbesoldung in der Regel nicht ausreicht, um alle laufenden Kosten zu decken, muss man zusätzlich noch nebenbei arbeiten. Dies führt dazu, dass zunächst nicht mehr die Examensvorbereitung oberste Priorität hat, sondern erst einmal der Referendarsalltag zu bewältigen ist. Wenn dann noch Zeit ist, kann zwar gelernt werden, da aber meist im Vorfeld nicht absehbar ist, wann man wieder die Gelegenheit zum Lernen hat, lässt sich die Examensvorbereitung in den ersten Monaten nur schwer strukturieren. Dies habe ich aber nicht als sonderlich schlimm empfunden, weil ich den zu Beginn des Referendariats gelernten Stoff ohnehin bis zum Examen vergessen habe, schließlich erstreckt sich das Referendariat ja auf zwei ganze Jahre!
Examensvorbereitung neben dem Referendarsalltag
Da die Einführungslehrgänge meist die gesamte Woche in Anspruch genommen und einen inhaltlich ausreichend beschäftigt haben, begann ich erst während der eigentlichen Referendariatsstation mit dem Nachbereiten des Stoffes. Zeitgleich mit der Station begann auch immer die begleitende AG, welche meist von einem Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt geleitet wurde. Wichtig für die Examensvorbereitung ist, dass ihr in den AGs nur prozessualen Stoff beigebracht bekommt. Das gesamte materielle Recht des Ersten Examens wird entweder vorausgesetzt oder es wird von euch erwartet, dass ihr die materiellen Probleme mithilfe eines Kommentars lösen könnt. In den AGs wurden auch Klausuren geschrieben, dessen bestehen, aber keine Voraussetzung für das Bestehen des Examens war. Da die Noten dieser AG-Klausuren jedoch in der Referendarsakte vermerkt werden, sollte man sich hierfür dennoch Mühe geben, um sich die theoretische Möglichkeit, einmal im Staatsdienst tätig zu werden, nicht von vornherein zu verbauen. Da die AG-Klausuren also nur „zur Übung“ geschrieben wurden, haben meine Mitreferendare unterschiedliche Prioritäten bei der Bearbeitung dieser Klausuren gesetzt. Die eigentliche Examensvorbereitung begann bei mir immer mit der Vorbereitung zu den AG-Klausuren. Dort habe ich mich erstmals intensiver mit der praktischen Anwendung theoretischen Wissens auseinandergesetzt und mich so Stück für Stück an die Klausuren herangetastet. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es sich bei den AG-Klausuren um ehemalige Examensklausuren handelt. Daher bieten sie eine Möglichkeit, seine Fähigkeiten realistisch einzuschätzen (vorausgesetzt, der AG-Leiter benotet auch examensrealistisch).
Die intensive Examensvorbereitung hat bei mir erst 6 Monate vor den schriftlichen Prüfungen begonnen (dazu später mehr). Dies hing im Wesentlichen damit zusammen, dass ich erst dann in der Rechtsanwaltsstation „auf Tauchstation“ gehen durfte und mir mein ausbildender Rechtsanwalt erlaubt hat, mich ab diesem Zeitpunkt vollständig auf die Examensvorbereitung zu konzentrieren. Einige Mitreferendare mussten noch bis kurz vor dem Probeexamen, welches ca. 3 Monate vor dem eigentlichen Examen beginnt, für ihre Rechtsanwaltsstation arbeiten. Andere Mitreferendare haben hingegen die komplette Rechtsanwaltstation für das Examen gelernt. Ich habe mich für einen Kompromiss aus beidem entschieden, da ich es wichtig fand, zumindest etwas praktische Erfahrung während der Rechtsanwaltsstation zu sammeln. Man sollte sich also bereits frühzeitig dafür entscheiden, ob man bei der Rechtsanwaltsstation eher etwas spannendes wählt oder sich einen Rechtsanwalt sucht, der einem Zeit für die Examensvorbereitung gibt. Natürlich kann man auch beides kombinieren, jedoch ist es gar nicht so leicht einen Rechtsanwalt zu finden, der einen im ersten Teil der Rechtsanwaltsstation fordert und später dann „tauchen“ lässt.
Lernmaterialien zur Examensvorbereitung
Bereits zu Beginn der Examensvorbereitung musste ich feststellen, dass es deutlich weniger Lernmaterialien für das Zweite Examen gibt als für die Vorbereitung für das Erste Examen. Dies hängt natürlich auch damit zusammen, dass einem im Referendariat „nur“ die praktische Einkleidung der materiellen Probleme beigebracht wird und die prozessualen Probleme nicht so viele Bibliotheken füllen wie die materiellen. Dies heißt aber leider nicht, dass die prozessualen Probleme leichter zu lösen wären. Ich habe mich zunächst an die Skripten gehalten, die uns vom Kammergericht zur Verfügung gestellt wurden. Leider musste ich aber spätestens in der Rechtsanwaltstation feststellen, dass diese nicht immer hilfreich waren. Dies hat mich dann auch dazu bewogen, darüber nachzudenken, ein kommerzielles Repetitorium zu besuchen.
Repetitorium zum zweiten Staatsexamen
Für das Zweite Examen gibt es mindestens genauso viele Repetitoriumsanbieter wie für das Erste Examen. Für ein Repetitorium spricht, dass man zielführend auf das Examen vorbereitet wird und sich keine Gedanken darüber machen muss, ob man auch wirklich alle Problemfelder in seiner Examenvorbereitung abgedeckt hat. Gegen eine Vorbereitung mit einem Repetitorium spricht, dass auch das Repetitorium nachgearbeitet werden muss, weshalb man noch mehr seiner ohnehin schon knappen Zeit in die Examensvorbereitung investieren muss. Für mich war letztlich auch mit ausschlaggebend, dass die Repetitoriumsveranstaltungen alle abends stattgefunden haben, da diese ja für alle Referendare zugänglich sein müssen. Da ich aber leider in den Abendstunden nicht mehr sehr aufnahmefähig war, habe ich die Repetitoriumsstunden eher nur abgesessen. Dennoch hatte ich mit den Repetitoriumsunterlagen ein wirklich sehr hilfreiches Skript, das oftmals Antworten auf Fragen lieferte, die in den Kammergerichtsskripten gänzlich unerwähnt blieben.
Intensive Examensvorbereitung in den letzten Wochen
Zu Beginn der sechsmonatigen intensiven Vorbereitungszeit habe ich zunächst 4 Tage die Woche und anschließend 5 Tage die Woche gelernt. Ich habe diese Zeit immer zusammen mit einem Freund gelernt, der sich in derselben Phase der Examensvorbereitung befand wie ich. Dies hatte den großen Vorteil, dass wir uns gegenseitig motiviert und geholfen haben und durch die regelmäßigen Treffen konnte keiner von uns mal einen Tag „blau machen“ ohne den anderen im Stich zu lassen. Das führte dazu, dass wir so gut wie keinen Lerntermin versäumt haben. Wir haben uns zunächst einen Vorbereitungsplan ausgearbeitet, in dem wir den gesamten Examensstoff (prozessual und materiell) auf die verbleibenden sechs Monate – unter Berücksichtigung des Probeexamens etc. – verteilt haben. So hatten wir einen detaillierten Plan mit vielen kleinen „verdaulichen“ Häppchen. Für den materiellen Teil der Examensvorbereitung griff ich auf die für das Erste Examen angefertigten Karteikarten zurück. Es lohnte sich für mich auf jeden Fall, die alten Unterlagen zu verwenden, auch wenn sie vermutlich nicht alle auf dem allerneuesten Stand waren. Denn es bieb keine Zeit, um sich nochmals neue bzw. aktualisierte Karteikarten auszuarbeiten.
Nach einiger Zeit hat sich die Examensvorbereitung zu mindestens 50 % auf das eigentliche Schreiben von Klausuren konzentriert. Schließlich ist das ja auch die verlangte Leistung im Examen. Dazu war der Klausurenkurs des Kammergerichts eine gute Hilfe. Hier kann man aktuelle Klausuren schreiben und diese zur Korrektur einschicken. Gleichzeitig kann man aber auch auf das Archiv des Klausurenkurses zugreifen. Zuletzt bestand die Examensvorbereitung also darin, Klausuren aus dem Archiv durchzulösen. Dabei versuchte ich, die ersten ca. 3 Stunden der Klausurenlösung so realistisch wie möglich zu simulieren. Dies hat insbesondere dazu geführt, dass die Angst vor den Klausuren abnahm und man irgendwann jederzeit mit dem Unerwarteten rechnete. Im Anschluss an die Klausurenlösung befasste ich mich entweder mit dem Klausurenthema intensiver oder arbeitete meinen Vorbereitungsplan weiter ab. Insgesamt hatte das den angenehmen Nebeneffekt, dass ich den „echten“ Examensklausuren zumindest den anfänglichen Schreckmoment genommen habe, in dem ich mich immer zu Beginn einer Klausur gefragt habe, worum es eigentlich geht. Durch das Klausurenschreiben habe ich mir eine Routine erarbeitet, durch die ich zumindest wusste, wie ich an eine Klausur herangehen muss, auch wenn sie noch so schwer war.
Probeexamen gibt die letzte Standortbestimmung
Letztlich bietet einem das Probeexamen noch einmal eine gute Möglichkeit, seine Fähigkeiten realistisch einschätzen zu können. Denn hier werden zwei Mal sechs Klausuren geschrieben, die jeweils auf zwei Wochen aufgeteilt sind. Diese werden anschließend korrigiert und mit mehr oder weniger konstruktiven Lösungshinweisen versehen. Im Anschluss daran kann man seine Fehler nacharbeiten und wird diese hoffentlich nicht noch einmal im echten Examen wiederholen.