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Das Staatsexamen auch ohne Rep mit der Lerngruppe

Vielen Dank für diesen Erfahrungsbericht von Klaudia Bujek:

Im September 2012 schaffte ich nach 3 Semestern Vorbereitung das 1. juristische Staatsexamen. Ich habe mich für die Vorbereitung im Rahmen einer Lerngruppe und gegen das Repetitorium  entschieden und trotzdem – oder besser: gerade deswegen – ein gutes Ergebnis erzielt (10,03 Punkte ohne Schwerpunkt).

Im Nachhinein muss ich feststellen, dass ich die Vorbereitung durchaus besser in Erinnerung habe als viele Bekannten (a.k.a. Leidesgenossen), die sich fürs Rep entschieden haben.

Hier könnt Ihr erfahren, wozu eine Lerngruppe gut ist, wie man eine solche Lernweise gut gestaltet und mit welchen Vor- und Nachteilen eine Entscheidung für eine solche Vorbereitung verbunden ist.

(Kommerzielles) Repetitorium – nicht das aller größte Übel (aber für mich irgendwie ein NO-GO)

Ich muss von vornherein klarstellen, dass ich die Idee vom Repetitorium nicht generell für sinnlos halte. Für mich kam dies zwar nie in Frage. Da ich aber zu 10 % Berliner Kommilitonen gehöre, die kein Rep gemacht haben, habe mich schon manchmal gefragt, wieso ich die Idee so gut fand.

„Geld macht nicht glücklich, aber es ist besser in einem Taxi zu weinen als in einer Straßenbahn“

Mein erster Gedanke war natürlich 150 EUR mehr in dem Portemonnaie. Klar, Examen ist wichtig und man muss schon einiges investieren, damit es auch klappt. (ACHTUNG: sehr subjektive Einschätzung folgt) Aber wenn investieren, dann lieber sinnvoller. Und 2-3 Mal die Woche zu einer Vorlesung hinzugehen, wo die Atmosphäre nicht besonders denkfördernd ist, sondern eher auf der Idee basiert, Studenten mit so viel Wissen wie in diesen ein paar Stunden nur möglich vollzustopfen, entsprach nicht meiner Vorstellung von guter Investition.

Natürlich müsste ich auch gewisse finanzielle Belastungen tragen, wie z.B. die Bearbeitungsgebühr für die Klausurenkorrektur im Rahmen vom Uni-Klausurenkurs (jeweils 9,00 EUR, einmal die Woche) oder Kauf von verschiedenen Lernmaterialien. Damit konnte ich aber leben, da ich in diesen Ausgaben viel freier war und gezielter entscheiden konnte, wofür und wann ich Geld ausgeben sollte.

Selbständig denken und Geld ausgeben – ist keine leere Floskel

Der Gedanke von flexiblen Ausgaben knüpft an den generellen Vorteil vom Lernen ohne Rep an: man kann viel selbständiger arbeiten. Ich konnte selbst entscheiden, welche Skripte ich besser fand. Und dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass nicht immer die ganze Materialienreihe eines Repetitors gleich gut ist: Ich hatte Skripte von fast allen Repetitoren aus verschiedenen Fächern, da ich den Schuldrechtsskript (oder Klausurlösungsskizzen) vom Alpmann Schmidt z.B. schlechter fand als das vom Hemmer, die Materialien zu Strafrecht BT wiederum besser vom Alpmann Schmidt. So konnte ich vermeiden, dass ich einfach alles lesen und lernen musste, was mir vorgegeben worden ist. Das kann man natürlich auch ohne Rep machen – aber wer kauft sich Skripte anderes Repetitors, wenn er bereits für diejenigen vom eigenen Repetitor bezahlt hat?

Juristisches rat race – nicht besonders reizend, wenn man keine Ratte ist

Ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich feststelle, dass zwischen einigen Kommilitonen im Jurastudium ein großer Wettbewerb herrscht. Dieser kann für einige natürlich motivierend sein. Mich hat das einfach genervt. In der Lerngruppe ist man größtenteils davor bewahrt. Denn man entwickelt ganz schnell das Gefühl der Solidarität. Wir wollten alle selbst bestens vorbereitet sein, damit die anderen was daraus lernen können und wir so zu deren Erfolg beitragen (und das sage ich als ein Einzelkind!). Ich habe mich über deren gute Noten in Probeexamen fast genauso gefreut, wie über meine eigenen. Und ich konnte fühlen, dass es den Mädels genauso ging. Du stehst einfach nicht im Wettbewerb, sondern arbeitest zusammen.

Du erkennst auch viel schneller, wenn es einem schlecht geht. Wir haben z.B. einmal eine „Intervention“ für eine von uns vorbereitet, die am Verzweifeln war und aus der Lerngruppe (womöglich aus der ganzen Examensvorbereitung) aussteigen wollte. Wir haben dies nicht zuletzt dank des Arguments verhindert, dass wenn das Band nicht hält, der Rest von uns viel schwierigeren Weg durchzugehen hätte. Dies hat sie ohne Weiteres zum Bleiben überredet. Schließlich wollte Sie uns nicht im Stich lassen. Und andererseits ist es in der Gruppe immer einfacher.

Strategische Zielsetzung

Wir (ich und noch drei Kommilitoninnen) haben uns eher zufällig gefunden. Wir kannten uns entweder nur vom Sehen und haben gelegentlich small talk geführt. Anlässlich eines solchen Gesprächs kam das Thema, wie man sich am besten auf das Examen vorbereitet. So haben wir festgestellt, dass wir gutes Ergebnis erzielen wollten, bereit waren, viel dafür zu arbeiten, aber auf jeden Fall kein Rep machen wollten. So haben wir uns verabredet, sich einmal zu treffen, einen einfachen Fall zu lösen, um zu schauen, ob eine Lerngruppe zwischen uns klappt. Das hat gut funktioniert.

Wir wollten uns über 1 Jahr regelmäßig treffen (dazu gleich). Die Mädels haben nach 2 Semestern Vorbereitung die schriftliche Prüfung geschafft. Ich wollte noch ein Semester darauf setzen, da ich noch einen Freiversuch hatte und es doch logischer fand, den ganzen Stoff nochmal selber zu wiederholen und viel mehr Klausuren zu schreiben (in den letzten 5 Monaten 2 Mal die Woche).

Vorbereitung der Examensvorbereitung – ein guter Plan ist der halbe Erfolg

Danach haben wir einen Lernplan erstellt. An diesem Teil waren im Wesentlichen zwei Mädels beteiligt, die anhand des vom GJPA vorgegebenen Stoffes das ganze Jahr im Voraus geplant haben. Dabei haben sie auch Ferien (insgesamt 4 Wochen) und Feiertage berücksichtigt.

Wie vereinbart, wollten wir uns 2 Mal die Woche in den für private Arbeitsgemeinschaften vorgesehenen Räumlichkeiten der Uni treffen, ab 14 bis 18 Uhr, mit einer kurzen Pause. Wir haben uns vorgenommen, dass wir in dieser Zeit so wenig wie möglich über Privates erzählen. Das hat durch das ganze Jahr sehr gut funktioniert. Natürlich gab es auch außergewöhnliche Situationen, wo eine einfach etwas losgehen musste. Dies waren aber Einzelfälle. (Es hat natürlich geholfen, dass wir nicht eng befreundet waren).

Innerhalb von einem Treffen sollten 2 bis 3 Examensfälle vorbereitet werden. Hierzu haben wir sowohl Fallsammlungen wie Zeitschriftenreihen, wie JuS oder JA, benutzt. Die Fälle betrafen das für diesen Tag vorgesehenes Thema (oder Themen), die sich nie wiederholt haben (für einige Bereiche haben wir aber von vornherein 2 Lerneinheiten vorgesehen).

Eine von uns hat immer die Fälle für den konkreten Tag ausgesucht, kopiert, durchgelesen und ggf. tiefer bearbeitet, verteilt. Danach hatte man ca. 30 – 45 Minuten Zeit um eine Lösungsskizze vorzubereiten. Die Lösung orientierte sich an dem Examensschema, sodass wir anschließend mündlich die Ergebnisse im Gutachtenstill (mit Obersatz etc.) vorgetragen haben. Die Vorbereiterin hat uns dann gegebenenfalls korrigiert.

Wir haben auch 2 Mal ein Lernwochenende gemacht (jeweils zu sehr umfangreichen Themen, wie Z.B. Sachenrecht). An einem solchen haben wir an jedem Tag 8 Stunden Lerneinheiten gemacht. Einmal sind wir dazu sogar verreist.

Motivation

Man könnte denken, dass dadurch dass wir dafür nichts gezahlt haben und wir eine Art vom „losen Bündnis“ geschlossen haben, unsere Motivation niedriger war. Keineswegs. Wir haben uns verpflichtet, jede Stunde verantwortungsvoll vorzubereiten und zur AG zu kommen. Dies haben wir auch eingehalten. Wenn ich mich beispielsweise entschieden hätte, nicht zur AG zu kommen, musste ich selber alles nacharbeiten. Dazu kommt, dass die Mädels ggf. viel mehr Arbeit gehabt hätten, weil sie meinen fehlenden Vortrag ersetzen müssten. Und die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass im Falle juristischer Zweifeln eine die korrekte Antwort kennen wird. Deswegen kam es überhaupt nicht Betracht, zur AG nicht zu kommen, weil man müde war oder was anderes vorhatte. Es wäre auch einfach zu peinlich.

Hinzu kommt aber natürlich auch, dass wir einfach ziemlich disziplinierte Menschen sind.

Ich erinnere mich noch an das Eklat im frühen Sommer, wo eine von uns unerwartet verreisen wollte (einen Monat vor den im Lernplan vorgesehenen Sommerferien) und wir alle entschieden dagegen waren. Schließlich hat die AG-Freundin ihren Urlaubsplan verworfen. Heute sehe ich diese Verbissenheit natürlich als übertrieben – damals war es aber selbstverständlich, dass ungeplanter Urlaub nicht in Frage kommt – weil die anderen AG-Teilnehmer deswegen mit relativ hohen zusätzlichen Aufwand konfrontiert werden müssten.

Nebenwirkungen

Naturgemäß hatte diese Form vom Unterricht auch Nachteile. Zu den größten gehörte die Unsicherheit über Falllösungen, die von der Lösungsskizze abgewichen haben. Oft konnten wir auf abgewandelte Fallmodalitäten oder spontan aufgetretenen Fragen nicht eindeutig antworten, während ein Repetitorium-Dozent höchstwahrscheinlich eine Antwort kennen würde. Mithin waren unsere Notizen immer mit zahlreichen roten Unterstreichungen und Markierungen „zum Nacharbeiten“ versehen.

Summa summarum

Für mich war die Lerngruppe die einzige Lösung; ich musste daher keine Abwägung der Vor- und Nachteile im Voraus machen. Solltet ihr aber verschiedene Optionen offen haben, dann seid ihr mit der schwierigen Entscheidung konfrontiert. Zu den Fragen, die ihr Euch stellen müsst, wenn ihr die Lerngruppe-Option erwägt, gehören jedenfalls folgende:

  • Seid ihr teamfähig? Könnt ihr mit ab und zu schlechter Laune anderer umgehen?
  • Seid ihr fähig, Euch über einen längeren Zeitraum selbst zum Lernen motivieren oder braucht ihr dazu zusätzlicher Druckmittel, wie das Bewusstsein bereits für die Unterrichtsstunde bezahlt zu haben?
  • Habt ihr in Eurer Umgebung Leute, mit denen eine Zusammenarbeit in Frage käme?

Ich bin mir nicht sicher, wie meine Antworten vor gut 4 Jahren lauten würden. Ich habe es nie gemocht, mich mit anderen über Jura zu unterhalten. Die Lerngruppe hat mir geholfen, juristische Ansichten schnell und klar zu formulieren. Zudem habe ich die Fähigkeit, vor anderen vorzutragen jedenfalls verbessert.

So oder so: Der Weg, der vor Euch steht ist für viele stressig und mühsam. Ihr musst Euch vor allem entscheiden, ob ihr diesen alleine, in einer kleinen Gruppe oder in einer „Klasse“ überwinden wollt.